Miteinander Teilen – Der Gedanke des „FORUM stiftung“

Ansprache auf der Auftaktveranstaltung des „Forum stiftung“ am 23.10.2014

Eine Akkordfolge, schnell auf einen Zettel hingeschrieben, ein musikalisches Thema, gerne ein bekannter Klassiker. Sympathie und Spielfreude, seinen Ideen freien Lauf zu lassen und all das miteinander zu teilen – schon entsteht eine wunderbare Musik, ein einmaliges Ereignis.

Natürlich gehört auch viel Können dazu. Davon waren wir überzeugt, dass wir davon viel erleben, wenn wir die Musiker unseres heutigen Abends dazu einladen, das „Forum stiftung“ mit ihrer Musik zu eröffnen.

Frei – aber wertvoll!
Es lässt sich wohl kaum eine bessere Verkörperung unseres Mottos für diesen Abend und für das Anliegen des „Forum stiftung“ denken, als die Musik, die wir gerade erleben. Ihr Können, ihre Leidenschaft stellen die Musiker heute dem gemeinsamen Anliegen zur Verfügung – frei, und gerade darum ist es wertvoll, weil etwas Besonderes, etwas Gemeinsames entsteht, ein Freiraum, an dem sie uns teilhaben lassen.

Solche öffentlichen Freiräume, die gemeinsames Erleben ermöglichen, werden immer knapper und kostbarer. Sie entsprechen nicht mehr der heutigen gesellschaftlichen Dynamik. Sie ist inzwischen in fast allen Bereichen von durchgehender Ökonomisierung geprägt. Leben und Teilhabe vollzieht sich vielfach in abgezirkelten Milieus – oder gar in der Vereinzelung medialen Konsums.

Dabei spüren wir überall die Grenzen unseres Lebensstils und unserer gesellschaftlichen Modelle. Die Knappheit der Ressourcen wird immer deutlicher. Rohstoffe, fossile Energie, seltene Erden – all das ist begrenzt und bedroht. Die Klimaveränderungen mit ihren tiefgreifenden Folgen spüren wir jedes Jahr stärker. 10 Tonnen CO2 verursacht jeder Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr – zwei Tonnen wären nach Expertenmeinungen gerade eben noch verträglich.

Das Internet verbraucht so viel Energie wie der gesamte Schiffs- und Flugverkehr auf diesem Planeten. Wir alle haben daran Anteil – mit Katzenvideos, Facebook-Posts, E-Mails oder anderen sinnvollen Dingen. Auch im sozialen Bereich spüren wir die Grenzen des Möglichen. Eine Gesellschaft und die Einzelnen in ihr können es sich schlicht nicht leisten, die Bewältigung aller Lebensprobleme vollständig zu professionalisieren und gegen Bezahlung einzukaufen.

Es ist fraglich geworden, ob es sinnvoll und intelligent ist, wenn jeder für sich alles alleine und selbstständig vorhält und es mit harter Arbeit verdienen muss. Autos, die einen Großteil der Zeit herumstehen, drei Kaffeeservices im Schrank, einen Garten, den man irgendwann wegen knapper Zeit oder Kraft kaum noch bearbeitet bekommt – und das ganze Spezialwissen und Können, das wir uns alle mühselig erarbeitet haben – das womöglich irgendwann kaum noch abgerufen wird, weil die Kinder nun groß geworden sind oder das Arbeitsleben beendet ist.

Im Grunde geht es für uns im Leben immer darum, wofür wir das eigentlich machen, worum wir uns mit viel Kraft und Einsatz bemühen, wofür wir viel investieren und einen Großteil unserer kostbaren und einmaligen Lebenszeit einsetzen.

Manchmal ist es gut, wenn wir uns die Extreme vor Augen führen. Am Ende der 5. Staffel von „Breaking Bad“ – zu Deutsch „Auf die schiefe Bahn geraten“, steht die Hauptfigur Walter White mit seiner Frau vor dem Ergebnis seines Lebens.
Es ist ein riesiger Haufen Geldscheine, ein Quader von zwei Meter mal zwei  Meter zwanzig, einen guten Meter hoch, aufgeschichtet in einer Lagergarage. Eigentlich wollte der eher harmlose Chemielehrer von der Highschool nach einer Krebsdiagnose seine schwangere Frau und seinen behinderten Sohn finanziell absichern – mit einem höchst zweifelhaften Vorhaben. Er fing an, die Droge Crystal Meth zu kochen und zu verkaufen. Darin erwies er sich als geniales Talent. Irgendwie geriet die Sache außer Kontrolle. Sie verselbstständigte sich und nahm immer groteskere und schlimmere Züge an.
„Das ist es, wofür du gearbeitet hast,“ sagt seine Frau Skyler zu ihm in der Lagergarage. So viel Geld, wie sie in 10 Leben nicht ausgeben können. So viel Geld, das man nicht in Umlauf bringen,  nicht ausgeben kann. Es ist nur ein riesiger Haufen bedrucktes Papier.
Aber der Zuschauer hat gesehen, wie Walter White für diesen Haufen fünf Staffeln geschuftet und sich abgemüht, in Angst und Verzweiflung gezittert und immer wieder seine Erfolge erlebt hat – und wie viele Opfer und Tote dabei am Wegesrand zurückgeblieben sind.
„Wie viel ist genug?“ hört Walter seine Frau fragen.

Wir sind alle zum Glück nicht in diesem Metier tätig. Und wohl niemand unter uns hat vergleichbare Probleme mit solch großen Bergen von Geldscheinen. Aber für uns alle ist es heilsam, von Zeit zu Zeit einmal unser Leben kritisch zu  betrachten und es zu überprüfen:
„Das ist es, wofür du gearbeitet hast.“
„Wie viel ist genug?“

Ich bin sicher, dass im Leben und in den Schränken eines jeden und einer jeden von uns sehr viel zu finden ist, bei dem wir uns das fragen können: Wie viel ist genug? Brauche ich das wirklich? Benötige ich das tatsächlich für mich allein?

Mit diesen Fragen im Hintergrund möchte das „Forum stiftung“ einen Beitrag leisten zu einer Bewegung, die an vielen Orten zu beobachten ist, wo nach neuen Wegen für unsere Gesellschaft gesucht wird. Es geht darum, einen gemeinsamen Freiraum zu schaffen, in dem wir miteinander teilen können , was wir haben – oftmals sogar im Überfluss. Beim „Forum stiftung“ können wir Wissen miteinander teilen zu Themen, die uns alle angehen. Oftmals geht es um ganz praktische Lebenshilfen. Wir können Fragen miteinander bedenken, die unser Leben in unserer Zeit prägen und herausfordern. Wir können Zeit miteinander teilen für etwas Gemeinsames und Wertvolles, das es sonst nicht gäbe wie die Musik an diesem Abend.

Seit alten Zeiten gibt es in manchen Gegenden das Institut der Allmende – eine Rechtsform für etwas, was allen gemein ist. Das können Felder sein, die man mit der Gemeinschaft eines Dorfes zusammen bewirtschaftet. In unserer Zeit wird es zunehmend auch übertragen verstanden im Sinne einer Wissensallmende  – als gemeinsames Gut der Informationsgesellschaft. Es geht um Wissen und Güter, das man miteinander nutzt, woran man anderen Anteil gibt, das man für etwas Gemeinsames einsetzt.

Im Grunde entspricht dieser Gedanke der Allmende dem Anliegen unserer und anderer Stiftungen. Es geht darum, gemeinsam Werte für eine Gemeinschaft zu schaffen – nachhaltig, generationenübergreifend. Frei und wertvoll wird miteinander geteilt, wird investiert, wird zusammengetragen und wieder ausgeteilt – für ein gemeinsames Anliegen, für die Stärkung d der Gesellschaft.

In diesem Gedanken steckt gleichzeitig eine sehr befriedigende und erfüllende Antwort auf die existenzielle Frage, die sich jeder von uns immer wieder stellen sollte:
„Zu welchem Zweck mache ich das eigentlich, wofür ich mich mit all meiner Kraft und Energie einsetze? “
Das „Forum stiftung“ vertraut darauf, dass kaum etwas anderes so viel Befriedigung und Erfüllung schenkt als dies: dass wir unsere Gaben und Fähigkeiten nicht nur für uns selbst behalten, sondern sie mitteilen, damit wir mit anderen zusammen etwas für die Gemeinschaft einsetzen.

Es macht Freude, es verwurzelt unser Leben in einen größeren Zusammenhang. Es bricht unsere Vereinzelung auf. Es befriedigt unsere Spielfreude, es macht einfach Spaß. Das wünsche ich uns allen auch weiterhin an diesem Abend und in unserem Leben.

Martin Hinrichs